Von Kim Winkler und Claudia Osterkamp – Vegane Proteinpulver und Eiweißquellen gelten allgemein als nicht so hochwertig wie tierisches Eiweiß. Sind sie für den Proteinshake nach dem Krafttraining geeignet? Und welche vegane Proteinquelle wirkt am besten? Reis, Soja oder Erbse oder ein Mix aus allem? Wer aus seinem Krafttraining das Maximum rausholen will oder sogar veganes Bodybuilding betreibt, für den haben wir hier einige Tipps rund um den veganen Eiweißshake nach dem Training.
Whey (= Molkenprotein) und Milcheiweiß stimulieren nach aktuellem Studienstand die Muskelproteinsynthese (MPS) nach dem Krafttraining am stärksten (1)(5)(6). Die notwendige Dosierung liegt bei jungen, gesunden Sportlern und Sportlerinnen, die regelmäßig trainieren, bei 20 – 25 g (bzw. 0,25 – 0,4 g / kg Körpergewicht) (6)(7). Pflanzliche Eiweißkonzentrate wirken bei gleicher Dosierung weniger effektiv (5). Ursache dafür dürften Unterschiede im Aminosäurenprofil sein.
Wenn du mehr über die Rolle und die richtige Menge des Eiweißes für Muskulatur und Muskelaufbau lesen möchtest, schau gerne auf unserem Blogartikel vorbei.
Ein Proteinpulver ist nur so gut wie sein Aminosäurenprofil
Grundsätzlich ist jedes Protein aus verschiedenen Aminosäuren zusammengesetzt. Nahrungsproteine werden nach dem Essen in unserem Verdauungstrakt in ihre einzelnen Aminosäuren zerlegt. Aus diesem Aminosäurenpool bedienen sich dann die Muskelzellen, um Muskelproteine aufzubauen. Entscheidend ist, dass in diesem Aminosäurenpool eine ausreichende Menge an essentiellen Aminosäuren enthalten ist. Das sind Aminosäuren, die der Körper nicht selbst herstellen kann. Sie müssen über Nahrungsproteine aufgenommen werden. Fehlt auch nur eine davon, kann der Körper sein Muskelprotein nicht fertig bauen. Die MPS und damit der Gewebeaufbau kommen ins Stocken.
Gut zu wissen:
Eiweiß und Protein sind zwei Begriffe, meinen aber das Gleiche.
Aminosäuren sind die Bausteine, aus denen Eiweiß aufgebaut wird.
Essentielle Aminosäuren kann der Körper nicht selbst herstellen. Sie müssen mit der Nahrung zugeführt werden.
Wie die Grafik unten zeigt, enthält 1 g Molkenprotein insgesamt deutlich mehr an essentiellen Aminosäuren als alle gängigen Pflanzeneiweiße, die aktuell als Eiweißpräparat in Deutschland angeboten werden. Prinzipiell enthalten auch vegane Eiweißquellen alle 9 essentiellen Aminosäuren. Geht man diese jedoch systematisch durch und vergleicht deren Menge mit jener im menschlichen Muskelprotein, stellt man fest, dass in den pflanzlichen Eiweißen immer mindestens eine der Neun in zu geringer Menge enthalten ist. Bei Reis, Weizen und Hanf ist es Lysin, bei Erbsen Methionin und Cystein. Einzig Sojaprotein hat – wie das Molkenprotein – alle Neun in der gleichen Menge wie menschliches Protein. Es hat daher unter den veganen Einzelproteinen die beste Proteinqualität und erreicht wie das Molkenprotein einen Top-Aminosäurenscore (= PDCAAS) von 1.
Faustregel: Leucingehalt tierisches Eiweiß: ca. 8 – 13 %; Leucingehalt pflanzliches Eiweiß: 6 – 8 %
PDCAAS…
(= Protein Digestibility-Corrected Amino Acid Score)
… ist ein Aminosäuren-Score. Er vergleicht das Aminosäurenprofil im Nahrungsprotein mit dem des menschlichen Gewebeproteins. Liegt der PDCAAS bei 1,0, stimmt die Aminosäurenzusammensetzung des Nahrungsproteins mit dem des menschlichen Eiweißes überein. Die Proteinqualität ist optimal. Ein PDCAAS < 1 zeigt an, dass mindestens eine Aminosäure in zu geringer Menge vorhanden ist.
Zweiter wichtiger Unterschied zwischen Molken- und Pflanzenprotein ist der Gehalt an der essentiellen Aminosäure Leucin. Leucin ist nicht nur ein Baustein des Muskelproteins. Es hat auch eine Signalwirkung. Flutet es nach dem Krafttraining schnell in größerer Menge im Muskel an, wird die MPS voll „angeschaltet“ (2)(6).
Vegane Proteinpulver haben im Vergleich zu Proteinpräparaten auf Milcheiweißbasis weniger Leucin und essentielle Aminosäuren. Diese Unterschiede gelten als Ursache dafür, dass vegane Einzelproteine in der Dosierung 20 – 25 g eine geringere Wirkung auf die Muskelproteinsynthese entfalten als Whey oder Milcheiweiß.
Vegane Eiweißpräparate: Höhere Dosierung kann helfen
Denn eine höhere Eiweißzufuhr bringt auch mehr Leucin und essentielle Aminosäuren in den Körper. So können die Defizite im Aminosäurenprofil gegenüber Eiweiß auf Milchbasis ausgeglichen werden. Diese theoretische Überlegung bestätigt auch eine aktuelle Studie (4): Nach der Gabe von jeweils 30 g Weizen- und Milchprotein konnte bei jungen Probanden kein Unterschied in der MPS festgestellt werden. Weizenprotein kann mit der 30-g-Dosis offensichtlich seine Wirkung verbessern. Es ist anzunehmen, dass das auch bei anderen pflanzlichen Eiweißquellen klappt. Systematische Untersuchungen dazu gibt es allerdings bisher nicht, so dass fundierten Dosierungsempfehlungen für pflanzliche Eiweiße noch nicht gegeben werden können. Die 30 g sind aber eine gute erste Orientierung. Nachteile der höheren Dosierung sind natürlich der höherer Pulververbrauch und somit höhere Kosten, eine bisschen höhere Energieaufnahme (weil mehr Pulver) und eine höhere Zufuhr an für den Muskelaufbau nicht notwendigen Aminosäuren, die dann ungenutzt vom Proteinstoffwechsel im Rahmen der Energiebereitstellung verwendet und verbrannt werden müssen.
Eine im Vergleich zu milchbasierten Eiweißpräpaten höhere Dosierung von veganen Einzelproteinen kann die Effekte auf die Muskelproteinsynthese verbessern.
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Mehrkomponentenpräparate
Eine gute Möglichkeit zur Optimierung der Qualität pflanzlicher Eiweiße ist ihre Kombination. Reis und Erbse können sich zum Beispiel gut gegenseitig ergänzen. Denn das Reisprotein bringt die schwefelhaltigen Aminosäuren (Methionin und Cystein) im Überschuss mit, die in der Erbse knapp sind, während Erbsenprotein den Lysingehalt vom Reis aufstocken kann. Werden verschiedene Eiweißquellen zusammengemischt, spricht man von einem Mehrkomponentenpräparat. Damit eine optimale Eiweißqualität (= PDCAAS von 1) erreicht wird, ist das Mischungsverhältnis der sich ergänzenden Eiweißkomponenten wichtig. Ist es nicht optimal aufeinander abgestimmt, erreichen auch Mehrkomponentenpräparate keinen PDCAAS von 1. Das gleiche gilt, wenn Eiweißkomponenten zusammengemischt werden, deren Aminosäurenprofil sich nicht ergänzt.
Wir haben den PDCAAS von auf dem Markt angebotenen, veganen Mehrkomponentenproteinen auf Basis der auf den Produkten angegebenen Aminosäurengehalten berechnet und häufig Werte von unter 1 gefunden. Offensichtlich achten nicht alle Hersteller auf ein optimales Mischungsverhältnis ihrer Komponenten, was eine generelle Empfehlung dieser Präparate für den Einsatz nach dem Krafttraining schwierig macht.
Mehrkomponentenpräparate können mit der richtigen Rezeptur eine sehr gute Proteinqualität erzielen. Allerdings kann man sich nicht darauf verlassen, dass vegane Mehrkomponentenproteine auf dem Markt diese auch wirklich erreichen.
Veganes Protein– Unsere Empfehlung
Unsere Nummer 1 unter den veganen Eiweißpulvern für die Eiweißaufnahme nach dem Krafttraining ist Sojaprotein. Es hat ein vollständiges Protein (= PDCAAS) und kann daher entsprechend den Empfehlungen für Molken- und Milcheiweiß dosiert werden. Wer beim Leucin sicher über die Schwelle von 1,7 g pro Portion kommen will, nimmt ein mit Leucin angereichertes Produkt.
Wer kein Sojaprotein einsetzen will, ist mit einem Mehrkomponentenprotein gut versorgt, am besten eine Mischung aus Reis und Erbse in einem Verhältnis von 1:1. Auch hier bringt dich eine Anreicherung mit Leucin in Sachen „Anschaltmechanismus“ der MPS auf die sichere Seite.
Bei Erbsenproteinpräparaten ist die Beurteilung schwer. Wir haben zwei deutlich unterschiedliche Aminosäurenprofile in der Literatur gefunden und können nicht sagen, welches von beiden stimmt. Wer auf der sicheren Seite sein will, dosiert am besten etwas höher.
Für Reis- und Hanfprotein sehen wir in Pulverform keinen Nutzen. Sie haben beide mit einem PDCAAS von unter 0,9 eine schlechte Proteinqualität. Das rechtfertigt unseres Erachtens die hohe Verarbeitung dieser pflanzlichen Lebensmittel für diesen Einsatzbereich nicht. Hanf enthält dazu natürlicherweise THC, das zu einem positiven Dopingtest führen kann. Von seinem Einsatz raten wir allen Athleten ab, die im Wettkampf mit Dopingkontrollen rechnen müssen.
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Literatur:
1. Stokes, T., Hector, A. J., Morton, R. W., McGlory, C., & Phillips, S. M. (2018). Recent Perspectives Regarding the Role of Dietary Protein for the Promotion of Muscle Hypertrophy with Resistance Exercise Training. Nutrients, 10(2), 180. https://doi.org/10.3390/nu10020180
2. Devries, M. C., & Phillips, S. M. (2015). Supplemental protein in support of muscle mass and health: advantage whey. Journal of food science, 80 Suppl 1, A8–A15. https://doi.org/10.1111/1750-3841.12802
3. Gorissen, S., & Witard, O. C. (2018). Characterising the muscle anabolic potential of dairy, meat and plant-based protein sources in older adults. The Proceedings of the Nutrition Society, 77(1), 20–31. https://doi.org/10.1017/S002966511700194X
4. Pinckaers, P., Kouw, I., Hendriks, F. K., van Kranenburg, J., de Groot, L., Verdijk, L. B., Snijders, T., & van Loon, L. (2021). No differences in muscle protein synthesis rates following ingestion of wheat protein, milk protein, and their protein blend in healthy, young males. The British journal of nutrition, 126(12), 1832–1842. https://doi.org/10.1017/S0007114521000635
5. van Vliet, S., Burd, N. A., & van Loon, L. J. (2015). The Skeletal Muscle Anabolic Response to Plant- versus Animal-Based Protein Consumption. The Journal of nutrition, 145(9), 1981–1991. https://doi.org/10.3945/jn.114.204305
6. https://www.mysportscience.com/post/2017/10/18/how-much-protein-do-i-need-to-eat-to-build-muscle
7. Witard, O. C., Jackman, S. R., Breen, L., Smith, K., Selby, A., & Tipton, K. D. (2014). Myofibrillar muscle protein synthesis rates subsequent to a meal in response to increasing doses of whey protein at rest and after resistance exercise. The American journal of clinical nutrition, 99(1), 86–95. https://doi.org/10.3945/ajcn.112.055517
8. Ebersdobler, H.F., Barth, Ch.A. und Jahreis, G. (2017). Legumes in human nutrition. Nutrient content and protein quality of pulses. Ernahrungsumschau 64(9): 134-139; 65:140-144.
9. FAO (1970). Amino Acid Content of Food and Biological Data on Proten. Nutrition Studies, 6, 339-345. https://www.fao.org/3/AC854T/AC854T00.html